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Ausgrabungen in der antiken griechischen Stadt Olbia

Abb. 1: Olbia Pontike. Eingangsbereich zum Museumspark (Foto: Olbia-Projekt)

Abb. 1: Olbia Pontike. Eingangsbereich zum Museumspark (Foto: Olbia-Projekt)

Abb. 1: Olbia Pontike. Eingangsbereich zum Museumspark (Foto: Olbia-Projekt)

Seit Januar 2021 ergänzt ein neues deutsch-ukrainisches Forschungsprojekt das breite wissenschaftliche Spektrum des Seminars für Klassische Archäologie um eine weitere Facette: Unter der Leitung von Prof. Dr. Jochen Fornasier werden in den nächsten Jahren Ausgrabungen in der antiken griechischen Stadt Olbia an der heutigen ukrainischen Schwarzmeerküste durchgeführt, die ein vollkommen neues Licht auf die Stadtgeschichte dieser milesischen Kolonie in archaisch-klassischer Zeit werfen werden (Abb. 1).

Das Projekt wird von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) finanziert und kann auf die umfangreichen Erfahrungen und außergewöhnlichen Ergebnisse eines bereits seit 2014 in Olbia tätigen, internationalen Forscherteams zurückgreifen, das bislang an der Goethe-Universität Frankfurt/Main beheimatet war. Durch den Wechsel an die Universität Halle-Wittenberg ist das deutsch-ukrainische Kooperationsprojekt dabei aber zukünftig nicht nur aktiv eingebunden in die vielfältigen Tätigkeiten des hiesigen Zentrums für Archäologie und Kulturgeschichte des Schwarzmeerraums (ZAKS   ). Es schließt sich auch ein forschungsgeschichtlicher Kreis: so war es doch Ernst v. Stern, der als einer der ersten deutschen Gelehrten in den antiken Denkmälern an der heutigen ukrainischen Schwarzmeerküste forschte, bevor er in den 1910/20er Jahren den Lehrstuhl für Archäologie an der Universität Halle übernahm.

Abb. 2: Olbia Pontike. Blick über das Stadtareal (Foto: Olbia-Projekt)

Abb. 2: Olbia Pontike. Blick über das Stadtareal (Foto: Olbia-Projekt)

Abb. 2: Olbia Pontike. Blick über das Stadtareal (Foto: Olbia-Projekt)

Das Ziel des Kooperationsprojektes ist eine umfassende Neukonzeption der Stadtentwicklung Olbia Pontikes für das 6.–4. Jh. v. Chr., deren rekonstruierter Verlauf nicht mehr mit dem aktuellen Forschungsstand vereinbar ist (Abb. 2). Ausgangspunkt der geplanten Untersuchungen ist die auf neuesten Ausgrabungsergebnissen beruhende Erkenntnis, dass die bislang vorgenommene Trennung des olbischen Territoriums in eine eindeutig unterscheidbare Kern- und eine Vorstadt nicht mehr Bestand haben kann. Chronologische Übereinstimmungen in der Nutzungsgeschichte beider Areale sowie deren gemeinsame Absicherung durch ein neu entdecktes Fortifikationssystem (Abb. 3), vergleichbare architektonische Entwicklungsphasen und das in seiner Quantität sowie Qualität übereinstimmende Kleinfundspektrum aus dem 6./5. Jh. v. Chr. sind eindeutige Hinweise darauf, dass beide Siedlungsbereiche von Anfang an Bestandteil eines einzigen, zielgerichteten Urbanisierungsprozesses gewesen sind.

Abb. 3: Olbia Pontike. Südprofil des im Areal HEKP-7 freigelegten Grabens (Foto: Olbia-Projekt)

Abb. 3: Olbia Pontike. Südprofil des im Areal HEKP-7 freigelegten Grabens (Foto: Olbia-Projekt)

Abb. 3: Olbia Pontike. Südprofil des im Areal HEKP-7 freigelegten Grabens (Foto: Olbia-Projekt)

Im Fokus des geplanten Projektes steht zunächst die archäologische Erforschung eines in seiner Größe wie auch seinem Erscheinungsbild außergewöhnlichen Befundes im Südwesten Olbias, der 2017 während einer geomagnetischen Prospektion lokalisiert und dessen frühe Datierung in das 6./5. Jh. v. Chr. bereits 2018 mittels einer Sondage bestätigt werden konnte (Abb. 4, Nr. 5). Sowohl die Lage der zu untersuchenden Struktur als auch das bislang gesicherte Fundspektrum haben direkte Parallelen in den archäologisch untersuchten Sakralzonen der archaischen Zeit (Abb. 4, Nr. 1–4) und lassen bereits zu diesem frühen Zeitpunkt auf ein aussagekräftiges Verteilungsmuster schließen (Abb. 5). Parallel zu diesen Feldforschungen gilt es zudem, das 2016/2017 entdeckte und für die Neukonzeption der Stadtgenese immens wichtige Fortifikationssystem des 5. Jhs. v. Chr. archäologisch auf potentiell vorhandene Bauphasen zu überprüfen.

Abb. 4: Olbia Pontike. Plan der Stadt mit Lage der bislang bekannten Heiligtümer (1–4) 
sowie der Anomalie südwestlich des Kernstadtareals (5) (Foto: Olbia-Projekt)

Abb. 4: Olbia Pontike. Plan der Stadt mit Lage der bislang bekannten Heiligtümer (1–4) sowie der Anomalie südwestlich des Kernstadtareals (5) (Foto: Olbia-Projekt)

Abb. 4: Olbia Pontike. Plan der Stadt mit Lage der bislang bekannten Heiligtümer (1–4)
sowie der Anomalie südwestlich des Kernstadtareals (5) (Foto: Olbia-Projekt)

Neben den eigentlichen Feldforschungen liegt der zweite Schwerpunkt auf der Aufarbeitung und Neubewertung früherer Grabungen und der konkreten Einbindung damals erzielter Ergebnisse in das neue Forschungsprojekt. So können die Funde und Befunde der Fortifikation des 4. Jhs. v. Chr. um die sog. Kernstadt sowie aus bislang nur unzureichend publizierten Sakralzonen im Nordwesten des Siedlungsareals als konkreter Gradmesser für die Stichhaltigkeit des neu rekonstruierten Ablaufs olbischer Stadtgeschichte dienen. Eine erstmals umfassend durchzuführende Verteilungsanalyse der bislang bekannten Gräber aus archaischer und klassischer Zeit wird zudem die Möglichkeit eröffnen, die auf den Grabungsergebnissen basierende chronologische Abfolge der Flächennutzung unmittelbar zu überprüfen. Insgesamt werden in dem Forschungsprojekt somit erstmals alle relevanten Grabungsergebnisse zusammengeführt, in direkter Kombination miteinander neu bewertet und umfassend der Forschung zugänglich gemacht.

Aktuelle Ergebnisse des deutsch-ukrainischen Kooperationsprojektes werden fortlaufend und jeweils zeitnah auf den  Projektseiten auf der ZAKS-Website skizziert. Neue Publikationen oder  auch Vorträge zu unseren Forschungen finden dort ebenfalls zukünftig  Erwähnung.

Das Projekt auf der Webseite des ZAKS   


Abb. 5: Olbia Pontike. Fragment einer Terrakotta-Statuette aus dem Grabungsareal Π1 (Foto: Olbia-Projekt)

Abb. 5: Olbia Pontike. Fragment einer Terrakotta-Statuette aus dem Grabungsareal Π1 (Foto: Olbia-Projekt)

Abb. 5: Olbia Pontike. Fragment einer Terrakotta-Statuette aus dem Grabungsareal Π1 (Foto: Olbia-Projekt)

Einführende Publikationen zum Olbia-Projekt:

  1. Jochen Fornasier/Alla V. Bujskich (Hrsg.), An den Ufern des Bug. Deutsch-ukrainische Ausgrabungen in Olbia Pontike im Kontext internationaler Forschungen zu antiken Migrationsprozessen. Frankfurter Archäologische Schriften (in Druckvorbereitung, erscheint 2021)
  2. Й. Форнасье/А. В. Буйских/А. Г. Кузьмищев, О городских границах Ольвии Понтийской в архаическое время. In: Археологические вести 29 (Санкт-Петербург 2020) 88–99.
  3. J. Fornasier/A. V. Bujskich/A. G. Kuz’miščev, Neues aus der Vorstadt. Aktuelle Forschungsergebnisse aus der griechischen Schwarzmeerkolonie Olbia Pontike. Antike Welt 2018, 2, 75–83.
  4. J. Fornasier/A. V. Bujskich/A. G. Kuz’miščev, Ein Stadtbild im Wandel. Neue Ergebnisse eines deutsch-ukrainischen Forschungsprojektes aus der griechischen Kolonie Olbia Pontike. Das Altertum 62, 2017 [2018], 241–270.
  5. J. Fornasier/A. V. Bujskich/A. G. Kuz’miščev/A. Patzelt/M. Helfert/N. Kratzsch, Vor den Toren der Stadt. Deutsch-ukrainische Forschungen in der Vorstadt von Olbia Pontike. Archäologischer Anzeiger 2017, 1, 19–61.
  6. А. В. Буйских/Й. Форнасье/А. Г. Кузьмищев, Предместье Ольвии в свете новых украинско-германских исследований. In: Записки Института истории материальной культуры РАН 14 (Санкт-Петербург 2016) 46–57.

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